Abwasserabgabe Teil 1: Abwasserzweckverbände als Kleineinleiter für Einleitungen über Teilortskanalisationen
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht (SächsOVG) hat mit Urteil vom 24.05.2023 - 5 A 270/20 das Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Chemnitz geändert und erstmalig entschieden, dass auch Abwasserzweckverbände für Einleitungen über Teilortskanalisationen (TOK) Kleineinleiter i.S.d. Abwasserabgabengesetzes (AbwAG) sein können.
Über Rohrleitungen des klagenden Zweckverbandes wird neben Niederschlagswasser auch in Kleinkläranlagen von Dritten behandeltes Schmutzwasser in ein Gewässer einleitet. Die streitgegenständliche Abwasserabgabe wurde anhand von Überwachungswerten und der Jahres-schmutzwassermenge und nicht nach der für Kleineinleitungen geltenden Pauschalierungsregelung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 AbwAG (Einwohnerzahl) berechnet.
Nach Auffassung des SächsOVG wird eine Kleineinleitung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG allein durch die Art (Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnliches Schmutzwasser) und die Menge (weniger als acht Kubikmeter je Tag) des eingeleiteten Abwassers bestimmt. Der Umstand, dass die Einleitungen über Rohrleitungen erfolgen, die Teil des öffentlichen Leitungsnetzes sind, und der Zweckverband in seiner Funktion als Aufgabenträger der öffentlichen Abwasserbeseitigung gemäß § 50 SächsWG bereits selbst Einleiter gemäß § 9 Abs. 1 AbwAG ist, steht dem nicht entgegen.
Das SächsOVG wies darauf hin, dass auch im vorliegenden Fall eine „Abwälzbarkeit“ der Abgabe auf die Grundstückseigentümer möglich ist. Zwar greift hier § 9 Abs. 2 Satz 3 AbwAG nicht, da diese Norm voraussetzt, dass die Körperschaft gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG an Stelle von privaten Kleineinleitern abgabepflichtig ist. Diese Rechtsgrundlage ist hier aber nicht erforderlich, da die Grundstückseigentümer an die Abwasserbeseitigungseinrichtung des Zweckverbandes angeschlossen sind und eine Refinanzierung („Abwälzung“) - wie bei einem Anschluss an eine zentrale Kläranlage - über in der Satzung geregelte Gebühren erfolgen kann. Ausdrücklich betonte das SächsOVG, dass etwaige Fremdwassereintragungen bei Trockenwetter bei der Mengenbestimmung nicht zu berücksichtigen sind, weil es sich insoweit nicht um Schmutzwasser aus Haushaltungen oder ähnliches Schmutzwasser handelt
Die Entscheidung des SächsOVG wird zumindest vorerst die von vielen öffentlichen Abwasserentsorgern im Freistaat Sachsen beanstandete Verwaltungspraxis der Landesdirektion unterbinden. Der Erlass solcher Abgabenbescheide wurde zunächst ausgesetzt. Ob die Landesdirektion Sachsen Revision gegen das Urteil einlegen wird, bleibt abzuwarten. Wir werden Sie hierüber informieren.