Bayerischer Verwaltungsgerichtshof: Aberkennung des Ruhegalts wegen Betrugsstraftaten im Zusammenhang mit der Beihilfegewährung

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden VGH München) entschied mit Urteil vom 05.07.2023 (16a D 21.1331), dass in Fällen des innerdienstlichen Betrugs zum Nachteil des Dienstherrn der Beamte regelmäßig aus dem Dienst zu entfernen und dem Ruhestandsbeamten deshalb das Ruhegehalt abzuerkennen sei, wenn im Einzelfall Erschwerungsgründe vorliegen, denen keine Milderungsgründe von solchem Gewicht gegenüberstehen, dass eine Gesamtbetrachtung den Schluss rechtfertige, der Beamte habe das Vertrauen endgültig verloren.

Der Ruhestandsbeamte (im Folgenden: A.) war bis zu seiner am 01.09.2018 wegen Dienstunfähigkeit erfolgten Versetzung in den Ruhestand als Brandinspektor (Besoldungsgruppe A 9) bei der Stadt X eingesetzt. In den Beurteilungen 2007, 2011 und 2015 erreichte er jeweils das Gesamtergebnis „übertrifft deutlich die Anforderungen“ (zweitbeste von fünf Gesamturteilen). In den Jahren 2010, 2015 und 2016 erhielt er Leistungsprämien.

A. traf zeitlich vor seiner Versetzung in den Ruhestand mit einer Allgemeinärztin und einem Physiotherapeuten jeweils eine separate Vereinbarung, wonach diese Rechnungen für tatsächlich nicht erbrachte Leistungen erstellen. Die Ärztin erstellte daraufhin 18 Rechnungen über insgesamt 17.332 € und der Physiotherapeut 17 Rechnungen über insgesamt 11.020 €. Diese Rechnungen reichte der zu diesem Zeitpunkt zu 50% beihilfeberechtigte noch aktive Beamte bei der Beihilfestelle und seiner privaten Krankenversicherung ein, die jeweils anteilig die eingereichten Rechnungen erstatteten.

Das Amtsgericht München verurteilte A. rechtskräftig wegen gemeinschaftlichen (schweren) Betrugs in über 30 Fällen gemäß § 263 Abs. 1, Abs. 3 Sätze 1 und 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB (gewerbsmäßiger Betrug) zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Auf die Klage der Stadt X erkannte das Verwaltungsgericht München auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts. Die hiergegen gerichtete Berufung des A. zum VGH München blieb ohne Erfolg. Er habe ein inner- und außerdienstliches Dienstvergehen i. S. von § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BeamtStG begangen, das die Aberkennung des Ruhegehalts rechtfertige.

Durch die gemeinschaftliche Begehungsform habe A. das Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des Betruges erfüllt und damit gegen die Pflicht zur Achtung der Gesetze (hier: § 263 Abs. 1 StGB), die Pflicht zu uneigennütziger Amtsausübung (§ 34 Satz 3 BeamtStG in der bis 06.07.2021 geltenden Fassung – BeamtStG a. F., entspricht § 34 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG in der ab 07.07.2021 geltenden Fassung - BeamtStG n. F.) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG a. F = § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG n. F.) verstoßen.

Mit seinem Verhalten zu Lasten der Beihilfestelle habe A. ein einheitliches Dienstvergehen gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Diese Dienstpflichtverletzungen seien innerdienstlicher Natur, weil das pflichtwidrige Verhalten in das Amt und die damit verbundenen dienstlichen Pflichten des A. eingebunden gewesen sei. Beihilfeleistungen seien an den Status als Beamter geknüpft.

Der VGH München hat hier bereits in dem innerdienstlichen Betrug ein schweres, die Entfernung aus dem Dienst und damit die Aberkennung des Ruhegehalts rechtfertigendes Dienstvergehen gesehen. Die bei der Verhängung der Höchstmaßnahme vorzunehmende auf die Beurteilung der Frage nach dem umfassenden Eintritt des Vertrauensverlustes im Hinblick auf den Dienstherrn und die Allgemeinheit gerichtete Gesamtabwägung (Prognoseentscheidung), in die die Schwere des Dienstvergehens , die persönlichen Verhältnisse des Beamten und sein sonstiges dienstliches Verhalten einzustellen sind, führt nach Auffassung des VGH München in Fällen des innerdienstlichen Betrugs zum Nachteil des Dienstherrn in der Regel zur Entfernung des Beamten aus dem Dienst.

Allerdings sind dabei zugunsten des Beamten die von der Rechtsprechung anerkannten Milderungsgründe/Entlastungsgründe (z. B. freiwillige, vollständige und vorbehaltlose Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung durch einen bisher unbescholtenen Beamten; einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat; unverschuldete wirtschaftliche Notlage; „Entgleisung“ während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase; positives Nachtatverhalten) in die Gesamtbetrachtung des Dienstherrn einzubeziehen. Denen sind die Erschwerungsgründe gegenüberzustellen. Liegen Erschwerungsgründe vor und stehen diesen keine diese überwiegenden Milderungsgründe entgegen, rechtfertigt die vorzunehmende Gesamtbetrachtung den Schluss, der Beamte habe das Vertrauen insbesondere seines Dienstherrn endgültig verloren.

Im vorliegenden Fall sah der VGH München Erschwerungsgründe in folgenden Umständen: Begehung eines im Hinblick auf die Gewerbsmäßigkeit besonders schweren Betrugs mit einem – hier wegen des Täter-Opfer-Ausgleichs reduzierten - Strafrahmen von sechs Monaten bis zu sieben Jahren und sechs Monaten, Verletzung der ggü. dem Dienstherrn bestehenden unbeschränkten Wahrheitspflicht, hoher beim Dienstherrn entstandener Schaden (18.058,43 Euro), 50 selbständige Straftaten des Beamten.

Diesen Erschwerungsgründen standen nach Auffassung des Gerichts keine durchgreifenden Milderungsgründe zugunsten des A. gegenüber. Zwar sei das Nachtatverhalten des A. positiv zu bewerten. So habe A. den dem Dienstherrn und seiner privaten Krankenkasse entstandenen finanziellen Schaden umfassend beglichen. Die Begleichung des Schadens stelle aber keinen beachtlichen Milderungsgrund dar, weil die Wiedergutmachung erst nach Tataufdeckung vorgenommen wurde und A. ohnehin zivilrechtlich und hinsichtlich der Beihilfeleistungen beamtenrechtlich zur Rückzahlung verpflichtet gewesen sei.

Auch die fehlenden strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Vorbelastungen des A. sowie seine dienstlichen Leistungen führen nach Auffassung des VGH München im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens nicht zur Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme. Diese Umstände stellten das normale Verhalten zur Erfüllung der Dienstpflichten dar und seien nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens derart abzumildern, dass bei einem Beamten, der das in ihn gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert habe, von einer Entfernung aus dem Dienst abgesehen werden könne.

Da somit das Verhalten des A. bei einem aktiven Beamten zu seiner Entfernung aus dem Dienst geführt hätte, war ihm nach Versetzung in den Ruhestand das Ruhegehalt abzuerkennen (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG = § 13 Abs. 2 Satz 2 SächsDG, § 13 Abs. 2 Satz 3 DG LSA).

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