Bundesverfassungsgericht: Nichtigkeit von § 10 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Waldgesetzes wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz
Am 10.11.2022 veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht seinen Beschluss vom 27.09.2022 – AZ: 1 BvR 2661/21, in welchem es § 10 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Waldgesetzes für unvereinbar mit dem Grundgesetz und nichtig erklärte.
§ 10 Abs. 1 des Thüringer Waldgesetzes lautete auszugsweise:
„(1) Wald darf nur nach vorheriger Genehmigung der unteren Forstbehörde in eine andere Nutzungsart umgewandelt werden (Änderung der Nutzungsart). Eine Änderung der Nutzungsart zur Errichtung von Windenergieanlagen ist nicht zulässig. (…)“
Die für nichtig erklärte Vorschrift verbot daher ausnahmslos die Änderung der Nutzungsart von Waldgebieten zur Errichtung von Windenergieanlagen und verhinderte damit jeden Bau solcher in Waldgebieten.
Das Bundesverfassungsgericht führte zur Begründung seiner Auffassung aus, dass dieses Verbot ungerechtfertigterweise in das von Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Eigentumsrecht der Waldeigentümer eingreife, weil dem Freistaat Thüringen insoweit die Gesetzgebungskompetenz fehle.
In Betracht kam sowohl eine Zuordnung zu den Materien des Bodenrechts gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 Grundgesetz sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 Grundgesetz. Wäre die für nichtig erklärte Regelung dem Naturschutz und der Landschaftspflege zuzuordnen, so hätten die Länder auch im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 29, 72 Abs. 3 Nr. 2 Grundgesetz insoweit vom Bundesrecht abweichende Regelungen treffen dürfen. Für die Materie des Bodenrechts gelte dies hingegen nicht und darüber hinaus habe der Bund insbesondere durch die planungsrechtliche Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich abschließend Gebrauch von seiner Kompetenz gemacht.
Das Bundesverfassungsgericht ordnete die für nichtig erklärt Regelung dem Bodenrecht zu. Für die Zuordnung sei der unmittelbare Regelungsgegenstand, der Normzweck und die Wirkung der Norm entscheidend. Anhand dieser Kriterien hat das Bundesverfassungsgericht nach umfassender Würdigung die für nichtig erklärte Regelung dem Bodenrecht und nicht dem Bereich von Naturschutz und Landschaftspflege zugeordnet.