OLG Frankfurt a.M.: Haftung des Jugendamts als Amtspfleger
Mit Urteil vom 27.07.2023 (Az. 1 U 6/21) hat das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschieden, dass das Jugendamt, welchem nach dem durch die Kindseltern erklärten Widerruf der Zustimmung von einer Inobhutnahme ihres Kindes das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wurde, die Fortdauer dieser Inobhutnahme zu überprüfen hat, insbesondere ob nunmehr eine Rückführung des Kindes zu einem Elternteil aus Gründen des Kindeswohls vorzunehmen ist.
Sachverhalt:
Im konkreten Fall machen der Vater und Sohn Ansprüche u.a. auf Zahlung von Schmerzensgeld wegen einer Inobhutnahme des Sohnes geltend.
Im Rahmen eines Sorgerechtsstreits der getrennten Eltern teilte der Kindsvater dem zuständigen Jugendamt der Beklagten mit, dass der gemeinsame Sohn ihm erzählt habe, von seiner Mutter, bei welcher er lebte, geschlagen worden zu sein. Mitarbeiter des Jugendamtes der Beklagten nahmen das Kind einen Tag vor der mündlichen Verhandlung des Sorgerechtsverfahrens in Obhut und brachten es in einem Kinderheim unter. Im Rahmen der Verhandlung stimmten beide Eltern einer Inobhutnahme zu, widerriefen ihre Einwilligung in die Inobhutnahme jedoch, nachdem das Familiengericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht des Kindes auf das Jugendamt der Beklagten übertrug. Mit einstweiliger Anordnung wurde der ursprüngliche Beschluss des Familiengerichts aufrechterhalten und aufgrund einer angenommenen Kindeswohlgefährdung i. S. d. § 1666 I BGB erweitert. Im Rahmen des Scheidungstermins wies das Familiengericht die Sorgerechtsanträge zurück und übertrug das Aufenthaltsbestimmungsrecht und weitere Teile des Sorgerechts auf das Jugendamt.
Die Kindseltern legten Beschwerde ein. Die Vollziehung des amtsgerichtlichen Beschlusses wurde zwischenzeitlich ausgesetzt und das Kind zunächst an die Kindsmutter herausgegeben. Später hat das OLG den Beschluss des Familiengerichts aufgehoben und die alleinige elterliche Sorge auf den Kindsvater übertragen.
Die Kläger machen geltend, dass die Mitarbeiter des Jugendamtes der Beklagten bei der Inobhutnahme pflichtwidrig gehandelt hätten. Mit dem angefochtenen Urteil wies das LG Frankfurt a.M. die Klage ab.
Die Berufung hatte teilweise Erfolg:
Die Beklagte wurde verurteilt, an den Kläger 3.000,00 Euro nebst Zinsen zu zahlen und ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten freizustellen. Zudem wurde festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zukünftige Schäden zu ersetzen.
Die Inobhutnahme stellte anfangs zwar keine schuldhafte Amtspflichtverletzung dar, jedoch hätte die Fortdauer dieser Inobhutnahme geprüft werden müssen, insbesondere ob eine Rückführung des Kindes zu einem Elternteil aus Gründen des Kindeswohls vorzunehmen ist. Die Trennung des Kindes von den Eltern dürfe nicht außer Verhältnis zur Abwendung der Kindeswohlgefahr stehen. Eine nicht gerechtfertigte Fremdunterbringung kann eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Kindes darstellen und auf der Rechtsfolgenseite auch die Zuerkennung einer Geldentschädigung nach sich ziehen.