OLG Oldenburg: Schmerzensgeldanspruch beim „berührungslosen Unfall“
In seinem Urteil vom 17.05.2022 – 2 U 20/22 entschied das Oberlandesgericht Oldenburg über die Schmerzensgeldforderung eines Fahrradfahrers, welcher aufgrund des Herannahens eines Rettungsfahrzeuges stürzte.
Der Fahrradfahrer versuchte auf einer beengten Straße von seinem Fahrrad abzusteigen, um einen überholenden Rettungswagen passieren zu lassen. Der Fahrradfahrer stürzte bei dem Versuch und verletzte sich. Zu einer Berührung des Rettungswagens mit dem Fahrradfahrer kam es nicht.
Die Einsatzkräfte erkundigten sich nach dem Zustand des Fahrradfahrers und übergaben diesem sowie seinen Begleitern eine Decke sowie ein Kühlmittel. Die Besatzung des Rettungswagens setzte ihre Fahrt zu dem ursprünglichen Rettungsziel fort und alarmierte einen zweiten Rettungswagen, welcher den verletzten Fahrradfahrer später ins Krankenhaus einlieferte.
Der Fahrradfahrer verlangte Schmerzensgeld. Nach seiner Auffassung sei sein Unfall „beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs “ im Sinne von § 7 Straßenverkehrsgesetz erfolgt. Der Beklagte wendet ein, dass es zu keinem Kontakt zwischen dem Fahrradfahrer und dem Rettungswagen kam und allein die „Anwesenheit“ des Rettungswagens nicht zu einem Schadensersatz- und insbesondere Schmerzensgeldanspruch des Fahrradfahrers führen könne.
Das Gericht folgte der Argumentation des Fahrradfahrers. Ausreichend für einen Schadenersatz dem Grunde nach sei, dass sich die von einem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben. Ein Kontakt sei nicht erforderlich. Es reiche insoweit aus, dass der Fahrradfahrer das Herannahen des Rettungswagens als „gefährlich“ wahrgenommen hatte, weil insbesondere der zur Verfügung stehende Verkehrsraum durch das Herannahen des Fahrzeugs immer enger geworden war und er folglich absteigen wollte. Den Schmerzensgeldanspruch mindernd berücksichtigte das Gericht jedoch die Tatsache, dass das Martinshorn des Rettungswagens bereits frühzeitig eingeschaltet worden war und die Fahrradfahrer somit rechtzeitig vom Herannahen des Rettungswagens informiert worden waren.